Der Capitulant by Leopold von Sacher-Masoch

Der Capitulant by Leopold von Sacher-Masoch

Autor:Leopold von Sacher-Masoch [Sacher-Masoch, Leopold von]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählung
ISBN: 3416018966
Herausgeber: Bouvier
veröffentlicht: 1984-12-31T23:00:00+00:00


So. Nun gut. Da traf ich den Kolanko, der rutschte euch im Schnee, wie ein angeschossener Hund. Meine Katharina hatte ihn prügeln lassen, weil er sie nicht gegrüßt hatte, ehrerbietig, wie sie’s verlangte und da redete er zu mir und erzählte –«

»Denkt euch,« fiel der Greis eifrig ein, »die regierte da wie eine gnädige Frau und noch mehr. Wir wissen, wie so ein Herr damals seine Frau hielt. Zwei Lehrer ließ der Gutsherr für sie aus der Stadt kommen, einer von ihnen war ein Franzose. Die lernte euch Alles, was nur ein Schreiber lernt, oder gar ein Geistlicher; jede Woche kam ein Pack Bücher für sie mit der Post, Alles las sie, auch Zeitungen, die schwere Menge; so ein ganzer Kasten von feinem Holze stand in ihrem Zimmer; da lernte sie euch eine ganze Musik spielen; die Leute standen unter den Fenstern Abends und hörten zu.«

Mongol lachte spitzbübisch und stierte mit einem Scheite im Feuer herum.

»Daß solche Leute nicht an Gottes Gerechtigkeit denken,« murmelte er.

Der Alte hustete heftig und knurrte tief aus der Brust wie ein zorniger Kater.

Der Capitulant blickte mit düsteren Augen vor sich hin; sein Gesicht blieb bei Allem theilnahmlos starr, öde, trostlos.

Der Bube sah den Vetter Mongol an, so unverschämt erstaunt.

»Nun, was siehst du mich so an?« fragte dieser mißtrauisch und zog sein gelbes Gesicht mit der gelben geschlitzten Nase in tiefe Falten.

»Wie fängst du das an, Vetter Mongol,« sagte der Junge, »daß es dir nicht in deine Nase hineinregnet?«

Der ganze Kreis lachte. Mongol aber erwischte den Buben beim Ohr, zog ihn langsam an sich und ließ ihn dann ebenso sachte los.

»War es Euch leid um Eure Geliebte?« fragte ich den verabschiedeten Soldaten. »Hat es Euch damals viel Schmerz bereitet?«

»Nicht daß ich sagen könnte,« antwortete er, an seiner Pfeife schmauchend. »Ich dachte auch nicht an Rache gegen sie, aber wenn ich mit den Herrenleuten zu thun hatte, kam mir jedesmal der Zorn. Ich wollte etwas Besseres vorstellen, lernte euch lesen und schreiben und auch rechnen. Ich war doch zu groß, um in die Schule zu gehen, so lernte ich vom Diak, dem ich dafür ein Hühnchen brachte, oder ein fettes Gänschen, oder Tabak, geschwärzten von Szigeth.Zwischen Galizien und Ungarn bestand damals die Zollschranke und blühte daher auch der Schmuggel. Steckte dann meine Nase überall hinein, las die heilige Schrift, die Legende der Heiligen, die Geschichte vom Czaren Iwan dem Schrecklichen, die Patente von der Kaiserin Maria Theresia, von Kaiser Joseph und von Kaiser Frantischek, las auch manche Gesetze und machte dann den Bauern die Klagen, mit denen sie zum Kreisamte gingen. Da war euch Keiner in der ganzen Gegend weit und breit, der euch das Volk so zu hetzen verstand gegen den Adel, diese Herren, diese Polen, als ich. Im ganzen Galizien gab es nicht so viel Processe, als allenfalls in unserem Dorf, und das Alles schrieb ich.

Wenn der Herr Starosta eine Bereisung machte, da standen schon die Leute am Wege mit Beschwerden, ich hatte überall meine Hand. Wo ich dem Dominium, dem Grundherrn etwas anthun konnte, that ich es.



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